Nach dem „Best of Breed“-Ansatz entscheiden sich Unternehmen beim Outsourcing ihrer Informationsverarbeitung und Telekommunikation verstärkt für ein Multisourcing. Dabei werden die Leistungen von dem Dienstleister eingekauft, der hierfür besondere Stärken vorweisen kann. Die damit verbundenen Vorteile stehen einem höheren Aufwand für die Steuerung und Verknüpfung der Dienstleister entgegen. Dieser Artikel zeigt Wege auf, wie der Kunde auch bei einer Multisourcing- Lösung die Komplexität im Griff behält. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen greifen bereits bei der Providerauswahl und begleiten den Service über den gesamten Lifecycle.
Outsourcing – Spezialisierung ist gefragt
Die Auslagerung der Informationsverarbeitung und Telekommunikation an einen oder mehrere Dienstleister findet in allen Unternehmensgrößen und Branchen statt. Insbesondere die Infrastruktur Services wie Workplace, Server, Netze und Unified Communication sind Commodity Services, bei denen durch Sourcing Skaleneffekte und damit Kostensenkungen erzielt werden können.
Kaum ein Anbieter von Sourcing Leistungen ist in allen Bereichen der Informationsverarbeitung gleich stark aufgestellt. Häufig kauft der
Dienstleister Leistungen hinzu und bietet als Generalunternehmer eine Gesamtleistung an. Das hat zwar für den Kunden den Vorteil, dass er nur einen Ansprechpartner hat, aber: Die Durchlaufzeiten für Serviceanfragen verlängern sich, Informationen an der Schnittstelle zwischen dem Dienstleister und seinem Unterauftragnehmer können verlorengehen und nicht zuletzt führt das Handling der Sub-Dienstleistung bei dem Dienstleister zu Mehrkosten, die er in der Regel an seinen Kunden durchreicht.
Vor diesem Hintergrund nutzen die Unternehmen zunehmend die Stärken einzelner Dienstleister (Best of Breed) und fügen diese selbst zu einem Gesamtservice zusammen. Der Service wird unmittelbar zwischen dem Kunden und seinem Dienstleister abgewickelt. Lange Serviceketten über mehrere Vertragspartner werden vermieden. Die Preise des Dienstleisters werden nicht mit Aufschlägen für das Handling von Drittleistungen beaufschlagt. Nun hat der Kunde aber die Aufgabe die Schnittstellen zwischen den Dienstleistern zu koordinieren und mehrere Dienstleister zu steuern. Für ihn steigt also grundsätzlich erst mal die Komplexität und der Aufwand.
Den richtigen Dienstleister auswählen
Diesem Nachteil lässt sich aber entgegenwirken. Das beginnt bereits bei der Dienstleisterauswahl, umfasst die Transition und muss den gesamten Betrieb begleiten. ITIL bietet hierfür einen Werkzeugkasten, mit dem sich die Serviceprozesse über alle Dienstleister vereinheitlichen lassen.
Bei der Anbieterauswahl sollten nur solche Dienstleister berücksichtigt werden, die ein schlüssiges Servicekonzept (ITIL orientiert) nachweisen können. Weiterhin ist darauf zu achten, dass die geforderten Leistungen für jedes Gewerk und die Schnittstellen zu anderen Gewerken eindeutig definiert sind. Nur so weiß jeder Dienstleister, was er zu leisten hat und was er an der Schnittstelle zu vor- und nachgelagerten Services voraussetzen kann. Als Maß der Leistungsqualität ist ein Service Level Agreement für den laufenden Betrieb und für die Bereitstellung der Services erforderlich. Über die dort vereinbarten Kennzahlen kann der Kunde die Leistung objektiv bewerten. Auch hier gilt es, das richtige Maß zu finden. Viele Service Level Agreements sind völlig wirkungslos, weil Sie nicht auf den tatsächlichen Bedarf des Kunden abgestimmt und nicht messbar oder nicht eindeutig sind.
„Präzise Formulierungen in den Verträgen helfen dabei, damit sich Kunden und Dienstleister „vertragen“.“
Transition Phase – So funktioniert’s
In der Transition-Phase wird der Übergang der Services von dem bisherigen Dienstleister oder dem Eigenbetrieb auf die neuen Dienstleister vorbereitet. Was wie zu tun ist, muss in Betriebs- und Prozesshandbüchern beschrieben sein – dann klappt es auch mit dem Service. Dabei ist es natürlich auch wieder hilfreich, wenn sowohl der Kunde als auch der Dienstleister seine IT Organisation nach ITIL ausgerichtet hat. Transition bedeutet aber auch, dass der notwendige Informationsaustausch für die Serviceprozesse möglichst elektronisch und weitestgehend automatisch vonstatten geht. Hierzu gehört der elektronische Austausch von Incident und Change Tickets, von Service Requests (Aufträgen), von Asset Informationen, von Rechnungsinformationen und von Daten für die Berechnung der Service Level und Regeressansprüche. Manuelle Verfahren verursachen sowohl bei dem Kunden als auch bei dem Dienstleister erheblichen personellen Aufwand, der oftmals in der Kalkulation des Sourcing Projektes nicht berücksichtigt wurde. Darüber hinaus bergen manuelle Verfahren das Risiko von Fehlern.
Bei der Automatisierung der Service Management Prozesse sollte der Kunde mit jedem seiner Dienstleister die gleichen Verfahren verwenden können und das möglichst über das gleiche System. Ein Service Request für die Inbetriebnahme eines neuen Telefons oder einer neuen Workstation erfordert in einer Multisourcing Lösung Aufträge an mehrere Dienstleister (z.B. für die Telefonielösung bzw. für den Workplace Service, für den LAN Service und ggf. noch für den WAN Service). Weiterhin sollten alle diese Bestellungen aufeinander abgestimmt sein. Verzögerungen in einem Gewerk sollten in den abhängigen Gewerken berücksichtigt werden. So macht es wenig Sinn, einen Desktop PC installieren zu lassen, wenn der dazu gehörige LAN-Port nicht verfügbar ist.
Die Bearbeitung von Incidents erfordert ebenfalls die Vernetzung aller Dienstleister mit den Service Management Systemen des Kunden. Stellt sich bei der Incidentbearbeitung heraus, dass das Incident Ticket dem falschen Dienstleister zugeordnet wurde, ist die Weiterleitung an den zuständigen Dienstleister mit allen Informationen aus der bisherigen Störungsanalyse per Knopfdruck möglich. Dabei werden in einem Incidentticket alle Informationen dokumentiert, die im Laufe der Bearbeitung gesammelt wurden. Jeder Bearbeiter hat alle Informationen über vorangegangene Analyse zur Störungseingrenzung.
Qualität – Der Kunde erwartet eine optimale Unterstützung
Der Anwender beim Kunden erwartet, unabhängig davon, ob die Informationsverarbeitung im eigenen Haus betrieben oder von einem Dienstleister bezogen wird, eine Servicequalität, die seine Aufgabenstellung optimal unterstützt. Mit jedem einzelnen Dienstleister kann aber nur die Service-Qualität für seine Leistung vereinbart werden.
„Die gesamte, vom Anwender wahrgenommene Service-Qualität setzt sich daher aus mehreren Gewerken verschiedener Dienstleister zusammen.“
Um die Gesamtqualität überwachen und die Auswirkungen einzelner Gewerke erkennen zu können, ist eine „end to end“ Überwachung über alle Gewerke erforderlich. Eine „end to end“ Überwachung der Service Qualität ist auch wieder nur mit einem einheitlichen System, dass die Informationen für das Service Level Management aller beteiligten Dienstleister verarbeitet, möglich.
Sinngemäß gelten die vorgenannten Abhängigkeiten auch für das Asset Management und das Financial Management. Während des gesamten Lifecycles der Auslagerung der Informationsverarbeitung gilt es, die Qualität des Betriebs zu überwachen und aktiv zu steuern. Das Service Level Management liefert hierfür die notwendigen Informationen. Abhängig von der Branche, gibt es teilweise sogar aus dem Risikomanagement heraus eine rechtliche Verpflichtung zur laufenden Über-wachung der Qualität der ausgelagerten IT-Dienstleistung.
Für Services, die nach Mengen in Anspruch genommen werden, liefert das Financial Management die richtigen Daten, damit die Abrechnung der Leistungen korrekt erfolgen kann. Verrechnet der Dienstleister seine Leistungen nach stückzahlabhängigen Pauschalen, wie Telefonports, LAN-Ports oder Workstations, schleichen sich schnell Fehler ein, die der Kunde nur mit großem mauellem Aufwand herausfinden und korrigieren kann. Wurde in der Transitionphase eine weitgehende Automatisierung der Service Managementprozesse eingeführt, können Kunde und Dienstleister auf verlässliche Daten zurückgreifen und damit die Rechnungsstellung einfach überprüfen und sogar die Kosten automatisch der richtigen Kostenstellen zuordnen.
Zur Automatisierung der Service Management Prozesse kann der Kunde seine Systeme direkt mit den Systemen seiner Dienstleister vernetzen. Einfacher, schneller und mit viel weniger Betriebsaufwand funktioniert es, wenn sich Kunden und Dienstleiser auf die Nutzung eines unabhängigen Collaboration Hubs verständigen. Der Kunde erreicht mit einer Schnittstelle alle seine Dienstleister, der Dienstleister erreicht mit einer Schnittstelle mehrere oder alle Kunden.
Fazit
Outsourcing der Informationen, insbesondere mit dem „Best of Breed“-Ansatz, bedeutet einen erheblichen Einschnitt in die Unternehmensprozesse mit vielen Chancen und Risiken. Ohne professionelle Unterstützung ist das Risiko groß, dass die erwarteten Effekte, wie Kostensenkung, Serviceverbesserung, etc. nicht eintreten. Hierfür liefert der Markt ausreichend Beispiele. Im Extremfall wird ein Vertrag sogar vorzeitig storniert und der Service in den Eigenbetrieb zurückgeführt. Eine solche Maßnahme übersteigt bei weitem die Kosten für eine gute Planung und Implementierung.
Jürgen Melzer
Geschäftsführer
PECOS GmbH net business solutions
Hamburg