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Kennen Sie MIFID II?

Wer im Finanzsektor, insbesondere bei einer Bank oder als Vermögensberater tätig ist, hat mit Sicherheit von der inzwischen über 7.000 Seiten starken EU-Richtlinie - MiFID II - gehört. Die Abkürzung MiFID II steht für “Markets in Financial Instruments Directive II“. Gemeinsam mit einem Kunden haben wir es geschafft, die MiFID-II-Compliance fristgemäß für das Unternehmen sicherzustellen. Von unserem verantwortlichen „Business Analyst“ Stefan Imperial wollen wir wissen, welches die größten Herausforderungen bei der Umsetzung waren.

Stefan, worum geht es bei MIFID II genau?

Die EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, MiFID II, und die EU-Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente, MiFIR, sind die Grundlage für fast alle Bestimmungen, die es im Handel und Vertrieb von Wertpapieren einzuhalten gilt.

MiFID II fordert unter anderem die Aufzeichnung von telefonischen Wertpapiergesprächen, primär zum Schutz des Verbrauchers. Aber auch für den Berater dient die Aufzeichnung als Unterstützung. So können Gespräche noch einmal angehört und eventuelle Zweifel ausgeräumt werden. Generell müssen Unternehmen, die Dienstleistungen im Wertpapierhandel anbieten, zur Verbesserung des Anlegerschutzes sämtliche Kommunikation mit ihren Kunden dokumentieren bzw. aufzeichnen, auch wenn diese nicht zum Abschluss eines Geschäfts führt.

 

Wie kann PECOS Unternehmen bei der Umsetzung der MIFID II Anforderungen unterstützen?

Die Aufzeichnung und Archivierung von Gesprächen ist sehr komplex. Damit die Umsetzung der MiFID-II-Anforderungen in einem Unternehmen reibungslos klappt, sind technische Voraussetzungen zu schaffen. PECOS entwickelt zusammen mit den Herstellern, Providern und den Kunden Lösungen, die die sichere Anwendbarkeit im Tagesgeschäft mit den regulatorischen Anforderungen und den technischen Möglichkeiten in Einklang bringt. PECOS begleitet seine Kunden als Experte vom Projekt-Kick-off bis zum Go-live und hat dabei immer die strengen regulatorischen Anforderungen im Blick.

 

Du hast direkten Kundenkontakt und berätst die Unternehmen vor Ort. Was waren in diesem Fall die größten Herausforderungen?

Zunächst war es wichtig, die Akzeptanz der Berater für die Sprachaufzeichnung zu gewinnen. Die Sprachaufzeichnung darf keine Einschränkungen für den Berater während der telefonischen Kundenberatung darstellen. Sie muss mit allen telefonischen Verbindungstypen funktionieren. Dabei ist es egal, ob der Berater direkt, über eine Sammelnummer oder über ein weitergeleitetes Gespräch angerufen wurde. Die Steuerung der Sprachaufzeichnung muss harmonisch in den telefonischen Beratungsprozess integrierbar sein. Wenn der Berater das Gespräch annimmt, kann er die Aufzeichnung starten, die Kundendaten eingeben und Referenzierungen zu einem Auftrag vornehmen. Die wichtigsten Punkte sind folgende:

  • Der Berater muss jederzeit erkennen können, ob seine Sprachaufzeichnungaktiv ist.
  • Der Berater klassifiziert das Gespräch.
  • Nach 30 Tagen werden die Gespräche in ein Langzeitarchiv ausgelagert.
  • Nicht-MIFID-II-relevante Gespräche werden nach 30 Tagen gelöscht.
  • Der Berater muss an seinem Arbeitsplatz jederzeit alle seine aufgezeichneten Gespräche finden und abhören können.
  • Die Sprachqualität im Beratungsgespräch und die der Aufzeichnung müssen eine ausreichende Verständlichkeit sicherstellen.

 

Was bedeutet das für das Archivsystem?

Die Aufzeichnung und Speicherung der Daten ist wirtschaftlich nur auf zentralen Servern und Speichern möglich. Für die Dimensionierung ist die Anzahl der parallel möglichen Aufzeichnungen wichtig. Hier können mehr als 1.000 parallele Sprachaufzeichnungskanäle erforderlich werden.

Durch Verknüpfung von Informationen aus dem Beratungsgespräch und den daraus resultierenden nachgelagerten Bankgeschäften muss das Aufzeichnungssystem erkennen, ob eine Sprachaufzeichnung für den Verkaufsvorgang relevant war und damit für 5 Jahre archiviert werden muss. Zu allen Vertragsabschlüssen, die sich aus einer telefonischen Beratung ergeben, muss eine Sprachaufzeichnung vorhanden sein. Nicht-relevante Aufzeichnungen müssen wieder gelöscht werden.

Sicherheit und Verfügbarkeit der Sprachaufzeichnungen spielen eine große Rolle und müssen durch das Archivsystem abgedeckt werden. Dazu sind gedoppelte Systeme mit hoher Ausfallsicherheit erforderlich. Der Zugriff auf Daten darf nur von berechtigten Personen und nur für einen definierten Zeitraum ermöglicht werden. Ein Berater hat ausschließlich Zugriff auf seine geführten Gespräche. Auditoren dürfen zwar alle Gespräche, aber nur für den vereinbarten Auditzeitraum abhören.

Ruft der Bankkunde seinen Berater an, wird er bereits vor Aufnahme des Gespräches über eine Computerstimme darüber informiert, dass das folgende Gespräch aufgezeichnet wird.

Welche Voraussetzungen gibt es für Telefoniesysteme?

Die Telefonie wird zunehmend sowohl in öffentlichen Netzen als auch innerhalb der Unternehmenskommunikation auf das Internetprotokoll (IP) umgestellt. Die zentralen Vermittlungssysteme und die Übergänge in die öffentlichen Netze werden dabei auch für die unternehmensinterne Kommunikation an zentraler Stelle aufgebaut. In den Außenstandorten sind nur noch die Telefone oder Apps (Softclients) auf einem PC installiert.

  • Einige Anbieter von Telefonsystemen „kopieren“ das Telefongespräch für die Aufzeichnung direkt am Telefon bzw. der App auf einem PC. Dann muss ein solches Gespräch von der Vermittlung zum Telefon und wieder zurück - also 2 Mal - durch das Kundennetz übertragen werden. Das kostet Bandbreite und muss bei der Dimensionierung des Netzes berücksichtigt werden.
  • Andere Anbieter von Telefonvermittlungen können ein Gespräch direkt im zentralen Vermittlungssystem für die Aufzeichnung auskoppeln. Dann entsteht keine zusätzliche Netzlast, was durchaus ein wichtiger Kostenfaktor sein kann.

Unabhängig davon, welche der beiden vorgenannten Lösungen zum Einsatz kommt, ist die Umstellung der unternehmensinternen Telefonie auf IP-Telefonie für die Sprachaufzeichnung nach MiFID II eine wichtige Voraussetzung.

Die Beratung über ein Call-Center stellt eine weitere Herausforderung für die Sprachaufzeichnung dar: Für eine ausreichende Sprachqualität kommt es auf das Kodierverfahren für die Sprache an. Hochkomprimierende Verfahren benötigen zwar wenig Bandbreite, haben aber häufig Schwächen in der Sprachqualität. Eine gute Sprachqualität erfordert eine geringere Komprimierung und daher im Netz mehr Bandbreite.

Heißt das, dass Unternehmen in breitbandschwachen Regionen nicht MIFID-II-konform arbeiten können?

Durch die Sprachaufzeichnung über IP-Telefonie mit zentralen Übergängen in öffentliche Netze werden alle Telefongespräche über unternehmensinterne Netze (WAN) geroutet, die die notwendige Bandbreite und Performance aufweisen müssen. Wichtige Performance-Parameter sind z.B. die Signallaufzeit (wie lange benötigt ein Bit von A nach B) und der Jitter (wie groß sind die Laufzeitunterschiede einzelner Datenpakete von A nach B). Als Anhaltswert für die benötigte Bandbreite pro Sprachverbindung sind 100 kbit/s eine akzeptable Basis für gute Sprachqualität.

Leider stoßen wir tatsächlich immer wieder auf Regionen, deren Netzausbau die o.a. Anforderungen nicht erfüllen. Dann muss temporär ggf. auf Mobilfunk ausgewichen werden. Insofern kann man für Unternehmen in diesen Regionen schon von einer Einschränkung sprechen.

Gibt es neben technologieabhängigen Herausforderungen noch andere Bereiche, die eine besondere Kompetenz erfordern?

Sicher, im Mittelpunkt steht immer der Mensch. Werden alle beteiligten Mitarbeiter frühzeitig eingebunden, um ihre Anforderungen in den Realisierungsprozess aufzunehmen, können Überraschungen beim Betriebsstart vermieden werden. Man darf nicht vergessen, dass die Implementierung einer MiFID-II-konformen Sprachaufzeichnung einen erheblichen Eingriff in die IT- und Telekommunikationsinfrastruktur erfordert. Die Planung und Umsetzung ist nicht neben den laufenden Betriebsaktivitäten möglich. Hierfür müssen Projektstrukturen mit Managementunterstützung aufgesetzt werden. Das Projektteam muss in der Lage sein, Managemententscheidungen vorzubereiten und herbeizuführen. Ein technisch komplexer Sachverhalt muss für das Management verständlich aufbereitet und betriebswirtschaftlich bewertet werden. Die Umsetzung der Sprachaufzeichnungen erfordert nicht unerhebliche Investitionen. Die Investition in externe Kompetenz rechnet sich aber in den meisten Fällen, damit das Projekt in-Time und im Budgetrahmen durchgeführt und Fehler vermieden werden können.

Auch die Einführung in den laufenden Betrieb sowie die Schulung der Mitarbeiter gehören zu einem solchen Projekt und benötigen die Managementunterstützung. Wir empfehlen in diesem Zusammenhang eine schrittweise Einführung, die mit einem Proof-of-Concept in Laborumgebung und einem repräsentativen Piloten im Realbetrieb startet.

Für den laufenden Betrieb sind Prozesse für die permanente Einhaltung der MiFID- II-Compliance aufzusetzen.

Was würdest Du Banken, Versicherungen oder anderen Beratungs-unternehmen empfehlen für die Umsetzung der MIFID-II-Richtlinie?

Die MIFID-II-Richtlinie ist ein kritischer Baustein im Telekommunikations-Netzwerk eines Unternehmens. Bevor Einzelschritte unternommen werden, muss eine Analyse des IST-Zustandes durchgeführt und darauf aufbauend eine fundierte Planung aufgesetzt werden, die auf lange Sicht Bestand hat. Dann erst kann die Umsetzung folgen. Alles andere wird nur unnötig teuer. Ein Erstgespräch mit einem auf IT- und Telekommunikation spezialisierten Unternehmen lohnt sich auf jeden Fall – das findet übrigens auch mein Kunde.

Vielen Dank für das Gespräch, Stefan Imperial.

 

Stefan Imperial ist seit 2014 als Business Analyst und Senior Consultant bei PECOS tätig. Er berät Großunternehmen und koordiniert die Umsetzung von IT- und Telekommunikationsprojekten vor Ort.

 

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Stefan Imperial ist seit 2014 als Business Analyst und Senior Consultant bei PECOS tätig. Er berät Großunternehmen und koordiniert die Umsetzung von IT- und Telekommunikationsprojekten vor Ort.